Sottrumer Sorgen

Was braucht der Schachspieler vor der anstehenden, neuen, herausfordernden Ligasaison? Genau, Spielpraxis! Da traf es sich gut, dass der Ligakonkurrent SC Sottrum einen Monat vor dem Start der Mannschaftsspiele sein alljährliches Open-Turnier ausrichtete. Der Wieste-Cup ist dabei Teil der Grand-Prix-Turnierserie des Niedersächsischen Schachverbandes.

Die letztjährigen Titelträger ihrer jeweiligen DWZ-Gruppen Tobias Falk und Slavko Krneta sowie meine Person machten sich also auf nach Sottrum, um der Konkurrenz frühzeitig zu zeigen, wo der Hammer hängt. Doch bereits die Anreise gestaltete sich als schwierig. Während Slavko die (extrem) frühe Variante wählte (Was soll man Stunden vorher vor Ort?), fuhren Tobias und ich rechtzeitig mit dem üblichen Zeitpuffer los. Dass der nötig sein würde, stellte sich alsbald heraus. Vollsperrung der A27 nach einem Brand! O. k., kein Problem, dann halt über Rotenburg. Doch in Rotenburg angekommen, mussten wir feststellen, dass man wegen Bauarbeiten dort nicht vom südlichen in den nördlichen Teil kommt. Also wieder zurück und "über die Dörfer". Nun wurde die Zeit langsam knapp, aber mit komfortablen zwei Minuten vor Schluss der Anmeldefrist erreichten wir doch noch unser Ziel.

Die erste Runde eines Open-Turniers bringt es gemeinhin mit sich, dass die Spielstärkeunterschiede recht groß sind. Tobias und Slavko hatten so zwei lösbare Aufgaben. Während Slavko in seiner Partie aber über ein Remis nicht hinauskam, löste Tobias seine Aufgabe mit Bravour. Nachdem sein Gegner bereits im neunten Zug einen veritablen Bock geschossen hatte, gab er mit dem zehnten auf. In meiner Partie war ich der Außenseiter und kam über diese Rolle leider nicht hinaus, da ich in knapper werdender Zeit eine eher ungünstige Entscheidung getroffen hatte.

Die zweite Runde am nächsten Tag machte jedoch mich zum Favoriten und tatsächlich konnte ich durch schönes Druckspiel gegen einen zurückhängenden Bauern den vollen Punkt einfahren. Slavko wollte es nach mäßigem Auftakt nun wissen und konnte ebenfalls den Sieg für sich reklamieren. Zur perfekten Runde fehlte also nur noch Tobias Punkt. Der kam aber nur zur Hälfte. Nachdem sein Angriff zurückgedrängt wurde, blieb er mit einer ungünstigen Stellung zurück und bot deshalb Remis.

Die dritte Runde brachte mir zum einen wieder einen starken Gegner, zum anderen eine unbekannte Eröffnungsbehandlung, in deren Wirren ich mich leider verfing. Auch für Slavko lief es nicht rund. Gegen den an Nummer zwei gesetzten Spieler und späteren Turniersieger Lukas Hoffmann vom SK Lister Turm reichten die Mittel nicht aus. Tobias durfte gegen einen schwächeren Gegner ran, musste aber feststellen, dass er nach gutem Beginn mit dessen plötzlichem Figurenopfer und mit seiner sehr knappen Bedenkzeit nicht zurechtkam.

Neuer Tag, neues Glück. Eines der Besonderheiten beim Schach ist, dass das Alter der Kontrahenten mitunter nur eine eingeschränkte Rolle spielt. Tobias durfte in dieser Runde gegen den amtierenden deutschen Meister U10 Jan-Okke Rockmann ran, der zudem schon auf zwei Teilnahmen bei Jugend-Europameisterschaften zurückblicken kann. Die (allgemein verbreitete) Ungeduld der Jugend rächte sich aber in diesem Spiel und Tobias konnte den Sieg davontragen. Slavkos Niederlage in der letzten Runde hinterließ jedoch Nachwirkungen bei ihm und so stand am Ende wieder eine Null auf dem Tableau. Ich konnte gegen einen schwächeren Gegner wieder auf den vollen Punkt hoffen. Nach zufriedenstellender Abwicklung stand ich im gewonnenen Endspiel, als mein Gegner plötzlich "Patt" durch den ganzen Turniersaal grölte! Ein Patt ist eine Situation im Schachspiel, bei der eine Partei keinen regulären Zug mehr ausführen kann. Eine solche Situation wird mit Unentschieden gewertet. In der konkreten Stellung konnte davon aber bei Weitem keine Rede sein. Offensichtlich wollte er wohl ein Remis anbieten, aber auch das war in der gegebenen Stellung absurd und so konnte ich mir wenig später den ganzen Punkt notieren. In Schach-Etikette und -wissen war bei diesem Spieler noch reichlich Luft nach oben, der übliche Handshake vor und nach der Partie bereitete ihm noch sichtliche Schwierigkeiten.

Die fünfte und letzte Runde stand an. Jetzt hieß es, ein zufriedenstellendes Endergebnis zu erreichen. Slavko hatte aber wohl genug und beendete das Turnier mit einem schnellen Remis. Tobias hatte meinen starken Gegner aus Runde 3 und wollte mit einem Angriff sein Glück zwingen. Der Angriff blieb jedoch stecken und somit das Glück aus, und zwar komplett. Zum Abschluss durfte ich wieder gegen einen starken Gegner antreten. Ich konnte diesmal eine bequeme, leicht vorteilhafte Stellung erreichen, die aber alsbald verflachte und so zu einem gerechten, jederzeit ungefährdeten Remis führte.

Mit ihren 2,5 bzw. 2 Punkten aus fünf Runden konnten weder Tobias, noch Slavko wirklich zufrieden sein, da ihre Ansprüche höher sein müssen. Meine 2,5 Punkte kann ich durchaus als gelungenen Einstand in die neue Saison bezeichnen. Mit einer ereignislosen Heimfahrt ging wieder ein langes Schachwochenende zu Ende.

Jörg Winter / 16.09.2012

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